Wieder einmal werden die armen Millennials von allen Seiten beharkt. Diesmal ist es der neu entdeckte Utopismus, der nicht gut ankommt. Wir können es aber auch niemandem recht machen!

Langsam weiß ich wirklich nicht mehr weiter. Je mehr wir Millennials uns bemühen, alles richtig zu machen, wirklich alles: eine Gender-gerechte Sprache zu etablieren, rechtzeitig zum Psychologen zu gehen, wenn sich ein Burnout anbahnt, wenigstens zu 80 Prozent vegan zu essen, regelmäßig Sport zu treiben und auch mal bei `ner Demo mitzumachen, wenn’s wirklich wichtig ist – desto mehr geht schief. Wir können es einfach niemandem recht machen.

Ich persönlich habe gerade erst den Beef mit der Generation Z verwunden, die 30-Jährige offensichtlich reichlich uncool findet – da wird mir von Boomer-Seite aus vorgeworfen, dass meine Altersgenossen und ich in unserem gesellschaftspolitischen Utopismus an der gesellschaftlichen Realität vorbeisegelten. Unser Problem: Zu viel Weltverbesserer-Talk, zu wenig Verständnis für den alten weißen Mann und seine ungeheure Lebenserfahrung.

Na, zumindest ist dieser Vorwurf insofern originell, da meiner Generation, solange ich mich zurückerinnern kann, stets vorgeworfen wurde, ganz schrecklich unpolitisch zu sein. „Diese seltsam angepasste Generation Y“, hieß es, „die interessieren sich nur für sich selbst. Und für Tinder. Aber nicht für das wirklich wichtige Weltgeschehen!“

Und das stimmte sogar, wer wollte schon ernsthaft was mit Politik zu tun haben, wenn man doch erst mal sich selbst finden muss, geschweige denn in die Politik gehen, schau dir doch mal die Leute an, die da Karriere machen, cringe!

Erst, als uns viel jüngere Teenager vormachten, was es bedeutet, so etwas wie Ideale zu haben, wachten wir langsam aus dem seligen Schlaf der selbstgerechten Hardcore-Individualisten auf. Anders ist übrigens auch nicht zu erklären, wieso Lifestyle-Influencer massenhaft von Handtaschen-Expertin auf Awareness-Aktivistin umschwenken, sobald sie die 25 überschreiten.

Jedenfalls raffen wir uns nun endlich dazu auf, uns ein bisschen politischer zu zeigen (und mit „uns“ meine ich in erster Linie diejenigen jungen Leuten, die so privilegiert sind, dass sie ganz genau wissen, dass sie mehr lesen und weniger auf Instagram rumhängen sollten, und die auch die Möglichkeiten dazu haben). Wir haben den bequemen Clicktivism aufs Real Life ausgedehnt, wir gründen Elterninitiativen, wir tragen Opinion Wear, um ostentativ auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen, wir kaufen Bücher von Rutger Bregman, Kübra Gümüsay und Alice Hasters, wir bemühen uns, wirklich – und das ist jetzt auch alles wieder nicht richtig.

Ich frage mich: Was, Ihr Boomer, WAS wollt Ihr denn von eigentlich uns? Ihr verwehrt uns Eure Anerkennung, wir Euch unseren Respekt. OK. Und soll diese nervtötende Auseinandersetzung zwischen uns nun ewig so weitergehen, bis wir dereinst beim Einfummeln der Hörgeräte doch noch übereinkommen: Ja, also, irgendwie wär’s schon hilfreich gewesen, wenn wir einander damals besser zugehört hätten, vielleicht hätte das der Gesellschaft ja doch noch was gebracht.

Ach, früher. Wisst Ihr noch, die Eisbären?