Am liebsten kocht sie mit Freunden, und sie trägt ihre Katze im Rucksack mit sich herum: In der Doku „Miss Americana“ zeigt sich Taylor Swift als kreativer Normalo, der einfach nur glücklich sein will. So wie alle privilegierten 30-Jährigen.
Taylor Swift trägt ihre Katze in einem Rucksack mit Guckloch herum. Das ist eines der Bilder, die sich nach der Veröffentlichung der Doku „Miss Americana“ rasend schnell im Internet verbreiten. Kein Wunder: Ziemlich viele der Szenen lassen sich zum lustigen Meme verbasteln.
Denn der Film von Lana Wilson ist nicht nur eine Huldigung an einen Popstar, sondern vor allem eine eineinhalbstündige Zusammenfassung der internationalen millennial culture. Und Taylor Swift steht am Ende als hypererfolgreicher Obermillennial unter all denjenigen privilegierten 30-Jährigen da, die ganz anders leben wollten als alle Generationen vor ihnen – und irgendwie doch nicht so richtig glücklich sind.
Zumindest zieht sich der Film, der auch auf dem Sundance Film Festival gezeigt wurde, an der Frage nach der persönlichen Zufriedenheit Swifts entlang. In Rückblenden wird ihr Aufstieg vom Country-Sternchen zum Megastar assoziativ aufbereitet, und ja, es gibt auch die für Musikerdokus obligatorischen Szenen von Auftritten vor glitzernden Menschenmengen.
Doch der Fokus liegt auf „Alltagssituationen“, die auch aus einem Prenzlauer-Berg-Leben stammen könnten: So kocht Taylor etwa Nudeln mit einer Kindheitsfreundin, dazu gibt es ein Glas Weißwein mit Eiswürfeln und ein Gespräch über eine Freundin, die gerade ein Baby bekommen hat. In anderen Aufnahmen wird über das Dreißigwerden und das Glücklichsein sinniert. Als alte weiße Männer einer jungen Frau politische Haltung nicht zutrauen, können die Tränen nicht mehr zurückgehalten werden. Und Mama Swift muss als Ersatztherapeutin herhalten, wenn alles mal nicht so läuft – zum Beispiel, als 2016 ein Instagram-Post Taylors nicht verhindern kann, dass die ultrakonservative Politikern Marsha Blackburn in den Senat von Tennessee gewählt wird.
Das alles ist, wenn in dieser Konzentration auch hochgradig klischeehaft, für Generation-Y-Gefährten absolut nachvollziehbar: nicht so richtig erwachsen werden zu wollen und vor den Schrecknissen der Realität ans Handy zu fliehen. Dabei aber den Anspruch zu haben, achtsam mit sich und der Umwelt umzugehen und, eh klar, gesellschaftspolitisch auf der „richtigen Seite der Geschichte“ zu stehen, wie sich Taylor Swift im Film ausdrückt.
The struggle is real. Und ein Popstar, der 50 Millionen Alben verkauft hat, erteilt nun die Absolution dazu, sich diesem Gefühl voll und ganz hinzugeben. Danke, Taylor!
Dieser Text ist zuerst am 01.02.2020 auf welt.de erschienen.
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