Dieser Artikel ist zuerst am 19.04.2019 auf iconist.de erschienen.
Alt und schwächlich fühle ich mich, wenn ich mir die Jugendlichen von heute anschaue, und dabei bin ich selbst „erst“ 28. Die jüngste Self-Made-Milliardärin der Welt, Kylie Jenner, ist 21 Jahre alt; die Umweltaktivistin Greta Thunberg bringt mit 16 Jahren Abertausende von Kindern auf die Straße zum Demonstrieren; der einstige „Zeit“-Schülerpraktikant Paul Bühre hat mit 19 schon das zweite Buch über sein Leben verfasst; und die Tiktok-Stars Lisa und Lena gehen mit 16 in Lip-Sync-Rente, um sich fortan aufs Erwachsenen-Influencer-Business zu konzentrieren.
Während wir Millennials, also die Um-die-30-Jährigen, unsere Lebenszeit mit dem Sinnieren über Befindlichkeiten, Achtsamkeitsübungen und Abnehm-Apps verplempern, ziehen die zehn Jahre Jüngeren eiskalt an uns vorbei.
In besseren Outfits – man muss sich nur mal die sorgsam kuratierten Looks von Cindy Crawfords 18-jähriger Tochter Kaia Gerber anschauen, dem aktuell gefeiertsten Model der Szene. Alternativ reicht ein Besuch bei der Modekette Urban Outfitters, um zu erkennen, wie unfassbar lahm die eigene Normcore-Garderobe aussieht.
Mit profimäßig aufgestellten Instagram-Accounts, die ein Grundeinkommen durch Werbeeinnahmen bis zum 35. Lebensjahr sichern – wie dieser Artikel über U18-Influencer beweist. Mein Gott, erinnert sich noch jemand an die StudiVZ-Gruppe „Meine Vorlesungszeiten kollidieren mit meinen Schlafzeiten“? Damit hat man sich vor zehn Jahren die Zeit vertrieben.
Und mit fitteren Körpern – die besten Eiskunstläuferinnen der Welt sind alle maximal 15.
Ganz generell haben die 18-Jährigen einfach eine bessere Attitude, wie Heidi Klumsagen würde.
Die Jungen treten mit einem Selbstbewusstsein ins Leben, das uns, die noch mit der „Nur ein perfekter Lebenslauf zählt“-Impfung erwachsen geworden sind, fassungslos macht.
Sie demonstrieren und schwänzen die Schule, weil sie die Welt retten wollen. Wir wagten nicht einmal, einen Lehrer zu kritisieren, aus Angst, dann den NC fürs Medizin- oder Lehramtsstudium zu verpassen.
Sie trauen sich, den ersten Praktikumstag mit der Frage nach dem Feierabend zu beginnen. Wir warteten, bis uns um 21 Uhr irgendeine mitleidige Seele nach Hause schickte.
Sie gründen schon in der Schule erste Unternehmen und lassen sich dafür bei Wettbewerben wie „Startup Teens“ feiern. Wir müssen noch mit Ende 20 unser knappes Gehalt aus Selbstverwirklichungsjobs von Mama und Papa aufpäppeln lassen, wenn wir mal in den Urlaub fahren wollen.
Die Generation Z, die etwa zwischen 1997 und 2002 geborenen, gehen ohne Zukunftsängste und mit einer durch den harten Like-Kampf gestählten Selbstsicherheit durchs Leben. So scheint es zumindest. Die Teenager und jungen Erwachsenen von heute nehmen sich, was ihnen ihrer Meinung nach zusteht, ohne auf den Applaus der Alten zu hoffen.
Kein Wunder, dass bei den Millennials die Furcht vor der nächsten Generation jetzt schon ganz laut anklopft. Ephebiphobie lautet übrigens der Fachbegriff für panische Abscheu vor der Jugend: Hilfe, wir waren doch grad erst selbst 16, wo kommen die denn jetzt alle her! Und erheben die am Ende auch noch Anspruch auf unsere Jobs, die wir nach 300 Praktika endlich ergattert haben?! „Help I’m Alive“ hieß 2008 ein Song der Band Metric, und aus dieser Zeit stammen überhaupt die meisten Songs, die noch aus iPod-Zeiten irgendwie auf unsere Handys geraten sind, wie, wissen wir nicht.
OK, was tun gegen die Angst vor den Teenagern? Erst mal die Nerven beruhigen. Nicht, dass wir vor lauter Stresszuständen noch ein Burnout entwickeln. Also schnell eine Instagram-Sprüchekarte basteln, würde ich vorschlagen, auf der steht – „embrace your anxiety“. Umarme deine Angst. Und dann alles Geld zusammenkratzen und eine Reise nach Bali buchen. Zur Not kann man immer noch Yoga-Lehrerin werden.
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