Warum das Kokettieren mit der „Shopping-Sucht“ so nervt

Vielleicht ist es mal wieder eine Berufskrankheitserscheinung, aber Scherze über die eigene „Shoppingsucht“ gehen mir gerade gehörig auf den Keks. Frauenzeitschriften, Modeblogs und Instagram-Accounts sind ja sehr gut darin, den LeserInnen die Angst vorm Kauf von teuren Handtaschen & Co. mit „kessen“ Floskeln zu nehmen: „Schön für die Augen, schlecht fürs Portemonnaie“, „Schwupsdiwups ist das Teil im Warenkorb gelandet“, „Hoppla, da bringen wir doch glatt die Kreditkarte zum Glühen“. (Für weiteren Floskelalarm empfehle ich dieses Video.)

Der Tenor ist: Wer Sinn fürs Schöne hat, kann manchmal eben nicht widerstehen. Dann shoppt man eben mal über das Budget, ist doch nicht so schlimm, passiert halt. Gönnt Euch. Hauptsache, der Look stimmt. Und überhaupt, wer das Geld zum Fenster rausschmeißt, bei dem kommt es zur Tür wieder rein. Irgendwie.

Das ist natürlich totaler Quatsch. Und es nervt mich persönlich immer mehr, wenn Frauen darüber witzeln, wie sie die Kontrolle über die eigene Kreditkarte verlieren. Als ob es eine höhere Shoppingmacht gäbe, die sie unbewusst dazu verleitet, auf jeden Onlineshop-Newsletter zu klicken. Als  ob sie nichts dafür könnten, wenn sie den Großteil des Gehalts in Klamotten „investieren“, wie shoppen in Lifestyle-Sprache euphemistisch genannt wird. Verzeihung, aber die Kreditkarte tippt ihre Daten ja nicht von selbst ins Onlinebezahlsystem ein.

Ich kaufe ja auch wahnsinnig gern ein und bin generell nicht gut im Verzichten. Kennt Ihr das Gefühl, ein Teil nicht gekauft zu haben, weil man sparen wollte, und sich dann ewig ärgert, weil diese Lederjacke wirklich perfekt zu dutzenden Eurer Outfits gepasst hätte?

Genauso gut kenne ich aber das Szenario, dass der Kitzel, sich etwas Besonderes gegönnt zu haben, in Schuldgefühle umkippt. Die Gewissheit, zu viel Geld für ein Kleid ausgegeben zu haben, das nagt dann an mir.

Was ich sagen will: Ich weiß nur zu gut, dass es nicht so einfach ist, immer vernünftig zu bleiben, was Shopping betrifft. Das wäre ja auch fürchterlich. Was ich aber wirklich nur noch schlecht ertragen kann, ist dieses Kokettieren mit der Shoppingsucht. In der Lifestyle-Branche zumindest ist das Gang und Gebe und ich erwische mich selbst immer wieder dabei, wie ich Freundinnen erzähle, dass ich ja eigentlich pleite sei, dies oder jenes Teil aber eben doch unbedingt anschaffen muss und zwar aus Gründen.

Dabei finde ich finde wirklich gar nichts kokett oder charmant daran, wenn man die Anschaffung der x-ten Handtasche damit rechtfertigen oder zumindest relativieren will, dass man ja einfach nicht anders konnte. Doch, konntest du schon, du wolltest halt nicht! Ich finde auch nicht, dass man sich besser fühlt, wenn man scherzhaft die Schuld fürs Über-die-Stränge-Schlagen im KadeWe von sich weist; mich erinnert das immer ein bisschen an 50er-Jahre-Hausfrauen, die mit ihrem Haushaltsgeld nicht zurechtkommen und sich am Ende des Monats vorm Ehemann rechtfertigen müssen.

Wenn man sich schon Luxus gönnt, dann sollte man selbstverständlich dazu stehen: Ja, das Kleid war schweineteuer, aber es hat mir eben sehr gut gefallen. Fertig, aus.

Wie seht Ihr das Thema? Auf dem Foto trage ich übrigens einen uralten Blazer von meiner Mutter aus den 90ern. Das nur am Rande!