Man war mal befreundet, irgendwann schickt man sich nur noch zum Geburtstag eine schnelle Nachricht. Mit mehr Emojis als Buchstaben. Warum lassen wir Freundschaften auf dem Handy langsam sterben?

Dieser Artikel wurde zuerst auf am 18.07.2018 auf ICONIST.de veröffentlicht.

Happy Birthday!! Ich wünsch Dir alles, alles Liebe und einen tollen Tag! Feierst Du? Hoffentlich sehen wir bald mal wieder! Xx“.

Ich habe mir diesen Satz in meinen Handy-Notizen abgespeichert, damit ich ihn in Messenger-Nachrichten kopieren kann, wann immer jemand Geburtstag hat, mit dem ich mal befreundet war. Bin. War?

Ich weiß nicht. Ist man noch befreundet, wenn man sich das letzte Mal vor drei Jahren beim Klassentreffen im Heimatort getroffen hat, vor sieben Jahren zusammen im Auslandssemester war, vor fünfzehn Jahren zusammen in der Tennismannschaft gespielt hat – und seither nur noch voneinander hört, wenn Facebook daran erinnert, dass Katharina Müller heute Geburtstag hat, und seit einiger Zeit sogar noch auffordert: „Vielleicht möchtest Du Ihr gratulieren.“

Ja, vielleicht möchte ich das, denke ich mir, immerhin waren wir in der Schule beste Freundinnen, und schicke Katharina eine schnelle Whatsapp-Nachricht. Der Satz ist ja schon formuliert. Noch ein paar Emojis dazu. Ach nee, keine Sektflasche, Katharina ist ja schwanger, das hat sie neulich irgendwo gepostet, war das auf Instagram? Gratuliert habe ich nicht, das fühlte sich zu Stalker-mäßig an, ich weiß ja nicht mal, wann ich Katharina das letzte Mal gesehen habe.

Ein paar Tage später antwortet Katharina. „Heyhey, danke, ja, lass unbedingt mal wieder treffen! Bin halt grad sehr beschäftigt, wir vergrößern die Familie 😉 LG!“

Sie hätte genauso gut schreiben können: „Danke für die Glückwünsche, hab noch ein schönes Leben, bis auf Nimmerwiedersehen, LG!“ Das weiß sie, das weiß ich. Wir sind keine Freunde mehr, zumindest dann nicht, wenn man unter Freunden Menschen versteht, die sich auch mal anstrengen, um einander sehen zu können.

Die Geschichte von Katharina und mir ist nicht ganz wahr. Aber auch nicht ganz unwahr. Es gibt ganz viele Katharinas in meinem Leben. Menschen, mit denen ich früher einmal befreundet war, mit denen mich eine bestimmte Zeit im Leben verbindet, von denen ich erzähle, wenn lustige Jugend-Anekdoten gefragt sind. Ich habe die Katharinas in meinem Leben seit Jahren nicht gesehen, und doch sind sie in meinem Kopf immer noch meine „Freundinnen“.

Es heißt, dass es 50 gemeinsam verbrachte Stunden dauert, bis aus einer Bekanntschaft eine Freundschaft wird. Das ist der Grund, warum man sich mit Kollegen manchmal ganz ungeplant sehr eng befreundet. Einfach, weil man jeden Tag zusammen am Tisch sitzt, und beim Mittagessen in der Kantine kann man ja auch nicht immer nur über den kaputten Drucker reden, irgendwann fängt man eben an, sich über den Ehemann zu echauffieren.

Die Geschichte von Katharina und mir ist nicht ganz wahr. Aber auch nicht ganz unwahr. Es gibt ganz viele Katharinas in meinem Leben. Menschen, mit denen ich früher einmal befreundet war, mit denen mich eine bestimmte Zeit im Leben verbindet, von denen ich erzähle, wenn lustige Jugend-Anekdoten gefragt sind. Ich habe die Katharinas in meinem Leben seit Jahren nicht gesehen, und doch sind sie in meinem Kopf immer noch meine „Freundinnen“.

Es heißt, dass es 50 gemeinsam verbrachte Stunden dauert, bis aus einer Bekanntschaft eine Freundschaft wird. Das ist der Grund, warum man sich mit Kollegen manchmal ganz ungeplant sehr eng befreundet. Einfach, weil man jeden Tag zusammen am Tisch sitzt, und beim Mittagessen in der Kantine kann man ja auch nicht immer nur über den kaputten Drucker reden, irgendwann fängt man eben an, sich über den Ehemann zu echauffieren.

Vielleicht ist eine Freundschaft dann zu Ende, wenn man nicht mal mehr die Kraft hat, auf WhatsApp-Nachrichten mehr als „Danke Dir :)“ zu antworten. Wenn neben der Sprachnachricht, die man in einer nostalgischen Anwandlung verschickt hat, zwei blaue Haken leuchten, aber keine Antwort mehr kommt. Wenn man Jahr für Jahr erst nachträglich zum Geburtstag gratuliert, weil man das Datum vergessen hat, und dann auch nur halbherzig, weil man sich fragt, ob der andere überhaupt zurückgratulieren wird am eigenen Geburtstag. Wenn man ganz genau weiß, dass die halbherzige Aufforderung, man müsse sich doch eigentlich mal wieder treffen, sich insgeheim nur darauf bezieht, dass man jetzt auch kein Problem damit hätte, bei Edeka vor der Käsetheke ein paar Worte zu wechseln, sollte man sich zufällig über den Weg laufen.

Vielleicht ist die Freundschaft dann zu Ende. Wahrscheinlich sogar. Das Problem ist nur: Der klägliche Rest, der von der Freundschaft übrig ist, dümpelt ja immer noch vor sich hin. In der App. Man könnte ja, wenn man wollte, also mal wieder schreiben. Und so finden Freundschaften nie mehr zu einem echten Ende, sie werden einfach eingefroren, weil man sie bei Bedarf ja eventuell noch mal auftauen will – wenn man beispielsweise in die gleiche Stadt zieht wie XYZ, der Kontakt kann ja nicht schaden, irgendwo muss doch noch die Nummer sein.

Das ist nicht verwerflich, aber auch kein wirklich schöner Gedanke. Zumal die Handyleichen-Freundschaften ja nicht nur auf dem eigenen Handy gespeichert sind, man rutscht ja bei anderen auch selbst zu den Moderchats ganz unten. Dieses Zu-Tode-Warmhalten verändert das Wesen der Freundschaft, das im Urkonzept wohl anders gedacht war, als sich nur alle Jubeljahre mal daran zu erinnern, dass es da doch diese eine Person gab. Zu einer echten Freundschaft gehört doch, dass man sich Gedanken macht um den anderen, am Leben des anderen teilhaben will, egal, wo man sich gerade befindet.

Die Schriftstellerin Elena Ferrante hätte jedenfalls mit ihrer Erzählung über Frauenfreundschaften keine vier Bestseller-Romanbände füllen können, wenn es im Neapel der 50er-Jahre schon iPhones gegeben hätte. Dann hätten die Hauptfiguren aus „Meine geniale Freundin“ Elena und Lila ihr schwierige Freundschaft einfach ausschliddern lassen, jahrzehntelang nicht mehr aneinander gedacht und sich höchstens zu den Geburten ihrer Kinder kurze Nachrichten geschickt. Alles Liebe zur Geburt! Hoffe, Dir geht’s gut und Du hast nicht mehr so viel Stress mit der Mafia. Lass ganz bald treffen! xxx.