Die Generation Y ist lebensuntüchtig und nervt. Seit Jaaah-ren! Zu dem Schluss sind bereits Millionen von Artikeln gekommen. Trifft der Internethass die junge Generation zu Recht? Als betroffener Millennial denk ich darüber mal nach.

Dieser Artikel ist zuerst am 18.09.2017 auf iconist.de erschienen.

Sind wir Millennials die widerwärtigste Generation, die je gelebt hat? Muss fast so sein, sonst würden ja nicht seit Jahren Zeitungsartikel darüber verfasst, wie furchtbar schlecht es um die verwöhnten, faulen, unfähigen, ach, generell komplett lebensuntüchtigen jungen Menschen von heute bestellt ist. Jüngst wieder im „Manager Magazin“. Es handelt sich insgesamt um 3.514.982 Artikel, die zwischen 2012 und 2017 zum Thema „nervige Millennials“ weltweit erschienen sind. Ich habe sie alle gezählt.

Nein, Quatsch, natürlich nicht, dazu bin ich als Millennial viel zu faul!

Keine Sorge, Sie müssen die Artikel auch nicht lesen, um alles über junge Leute und ihre Befindlichkeiten zu erfahren. Denn hier kommt eine kurze inhaltliche Zusammenfassung sämtlicher Generation-Y-Millennial-Bashing-Artikel: „Diese verwöhnten Möchtegerns, die denken auch, sie wären’s. Halten sich für superschlau, weil sie sich dieses Internet aufs Handy installiert haben. Früher hatten die Leute noch echte Leben! Man hat sich angestrengt! Gerödelt, getan und gemacht! Auch mal an andere gedacht, nicht nur an sich selbst! Haben Sie diese Millennials vielleicht schon mal auf einer Demo gesehen? Natürlich nicht, dafür müsste man sich ja von der Couch wegbewegen. Überhaupt: Andere Leute mussten sich noch richtig hocharbeiten, und die kommen mit ihren Bachelors an, oder wie das heißt, und wollen gleich Chef sein. Nichts arbeiten, aber posten. Außerdem sprechen die gar kein richtiges Deutsch mehr, nur noch Denglisch. Und sie tragen alle Pink, alle, sogar die Jungs!“

So in etwa lesen sich Artikel über uns Millennials. Wir wirken auf viele ältere Mitmenschen offenbar ziemlich verstörend. Immer noch! Wir sind ja nun schon einige Jahre in der Erwachsenenwelt unterwegs, im Arbeitsleben, und doch kann und will sich einfach niemand so recht an uns gewöhnen. Warum nur, wir wollen doch eigentlich nur geliked werden.

Statt Lob und Liebe kriegt man aber mal wieder nur Hass ab im Internet. In meiner Facebook-Timeline zumindest posten regelmäßig viele Leute, die noch 45 Semester lang studieren konnten, ohne dass das irgendwen gejuckt hätte, mit Vorliebe Anti-Millennial-Artikel mit Überschriften wie „Stellen Sie bloß keine Millennials ein, weil, die werden nichts arbeiten“. Oder auch: „Diese Generation ist nur überfordert und kann einfach gar nichts“. Darunter kommentieren 40-plus-Altersgenossen dann: „Stimme diesem Artikel absolut zu! Ich kann leider nur ein Like geben! Mehr erlaubt Facebook nicht!!!“

Naja, vielleicht wissen die alten Leute ja nicht, dass ich das sehen kann, wenn sie sowas schreiben. Trotzdem gemein. Noch ekliger wird es allerdings, wenn sich Millennials über Millennials empören. Manche machen aus ihrer Abneigung gegen Gleichaltrige sogar ganze Bücher. 

So wie jüngst ein junger deutscher Zeitungsredakteur. Sein Buch heißt „Sieben Nächte“, eine Anspielung auf die sieben Todsünden. Im Buch wird der Niedergang einer ganzen Generation daran festgemacht, dass sie sich Autos teilen, was irre „meta“ gemeint ist (keine Statussymbole = keine Ziele = totale Verweichlichung). Am Ende ist das aber einfach nur fies: Immerhin rettet Carsharing die Umwelt. Ein bisschen zumindest. Go, Millennials!

Ich verstehe also wirklich nicht, warum wir die unbeliebteste Generation aller Zeiten sind. So unbeliebt, dass sich manch ein Millennial per superreflektierter Selbstkritik noch bei anderen Generationen anzubiedern versucht. Verzeihung, immerhin haben wir noch keinen Krieg angezettelt! So schlimm können wir nicht sein.

Oder doch? Die einzig mögliche Erklärtheorie für den allgegenwärtigen Hass auf Millennials fiel mir übrigens kürzlich beim Verzehr einer Kurkuma-Kokosmilch ein: Das Ganze muss mit demografischen Gründen zusammenhängen. Sehen Sie, wohlgenährte Mitteleuropäer können mittlerweile ungefähr 123 Jahre alt werden. Und so hätte ich vermutlich, wäre ich heute ein 61-jähriger Mann, oder meinetwegen auch eine 47-jährige Frau, wohl auch sehr große Angst vor den Millennials.

Angst davor, dass mich diese unzuverlässigen Leute, von denen dauernd in der Zeitung zu lesen ist, noch jahrzehntelang mit ihren idiotischen App-Erfindungenund ihrem übersteigerten Selbstbewusstsein nerven, welches sie „Soft Skill“ nennen.

Angst davor, dass sich die für den Ruhestand eingeplanten 58 Teneriffa-Urlaube mit Schinkentoast-Radler-Pauschale nicht mehr verwirklichen lassen, weil die Jungen ständig Sabbaticals machen. Wer arbeitet denn dann überhaupt noch?! Es soll ja jetzt schon nicht mehr genügend Ärzte geben, weil junge Leute alle nur noch Start-ups haben wollen. Stand neulich irgendwo, wirklich. Am Ende landen die alle beim Jobcenter und es ist kein Geld mehr für die Rentner da.

Herrje. So viele Probleme, so viele Missverständnisse. Und daran sind nur die vielen Artikel schuld, in denen meine Generation gnadenlos fertiggemacht wird.

Der Ruf der Generation Y ist jedenfalls ein für alle Mal ruiniert. Wir Millennials mögen uns ja noch nicht einmal untereinander, siehe oben. Weiß jetzt auch nicht, wie wir aus diesem Dilemma wieder rauskommen. Vielleicht ließe sich manches noch durch gute, ehrliche Gespräche klären.

Da ich allerdings ein Millennial und somit vollkommen resistent gegen jede Form von Kritik bin, zudem vornehmlich in Emojis kommuniziere, so steht‘s ja in den Artikeln über meine Generation, ist es mir lieber, anstrengende Konflikte einfach auszublenden. No need für Diskussionen in my opinion, um das mal jetzt mal voll Milliennial-mäßig aus. Das ist ja das Gute am Millennial-Dasein, man kann sich ganz in Ruhe auf sich selbst und seine Befindlichkeiten konzentrieren, mit einem anderen Verhalten rechnet ohnehin niemand.

Und wenn ich denn doch mal ganz kurz an mir, meiner Persönlichkeit und meinen Fähigkeiten zweifle und Zukunftsängste bekomme, für 30 Sekunden oder so, dann drucke ich einfach meinen Lebenslauf aus und betrachte ihn mit wohligem Stolz. Jugend musiziert, Bachelor, Auslandssemester, Master, Praktikum, feste Stelle, fertig. Was soll ich sagen, ich bin einfach wahnsinnig qualifiziert! Für alles! Habe sogar das große Latinum! #Sorrybutnotsorry.

Ich gehöre nun mal zu einer schicken Generation, die sehr viel kann und sehr viel will und schon überall auf der Welt war. Und deshalb zurecht extrem selbstsicher ist. Klaro, dass da andere Generationen schnell neidisch werden – das muss man vielleicht einfach akzeptieren, wegen Zen und so. Beliebtheit ist nicht alles.

Auf diese Erkenntnis stoße ich an, mit einem Rosé-Crémant, denn auch die Getränke müssen bei Millennials Rosa sein. Ich sitze auf meinem grauen Ausziehsofa, das ich für Besucher aus aller Welt gekauft habe, ich denke gern global. Dann sinniere ich kurz über Trump und Nordkorea nach und wie wenig mich meine westdeutsche Käthe-Kruse-Kindheit auf solche weltpolitischen Dramen vorbereitet hat.

Das ist deprimierend. Deshalb gehe ich lieber zu Überlegungen über, ob ich mich mit 27 noch in einen Club trauen kann, oder ob es Zeit für die Golfclub-Mitgliedschaft geworden ist. Ich weiß, eines Tages werde ich Chefin sein, von irgendwas, mit viel Macht und noch mehr Freizeit. Das ist mein Leben. Hauptsache, ich finde mich gut!

Man darf und soll sich bitte unbedingt über Millennials und ihre irren Eigenheiten lustig machen, finde ich. Mache ich ja selbst oft. Nur ohne Häme! Oder wie seht Ihr das?