Die Kosmetikfirma L‘Oréal hatte als erste schwarze Markenbotschafterin das Transgender-Model Munroe Bergdorf engagiert. Die veröffentlicht einen kritischen Facebook-Eintrag – und wird deshalb wieder gefeuert.

Dieser Text ist zuerst am 09.09.2017 auf welt.de erschienen. 

https://www.instagram.com/p/BYtiJ5xH2CV/?taken-by=munroebergdorf

Eine Frage: Setzen sich die großen Lifestylemarken dieser Welt eigentlich mal auseinander mit den Persönlichkeiten, die sie zu Werbezwecken engagieren? Oder wird nur danach ausgewählt, wer gerade in irgendeinem Trendreport als wichtiger „Influencer“ auftaucht?

L‘Oréal Paris hätte sich mit Munroe Bergdorf jedenfalls etwas genauer befassen sollen, bevor die Dame als Markenbotschafterin eingestellt wurde. Nicht als irgendein Testimonial unter vielen: Bergdorf wurde mit viel Medienecho als erste, schwarze Transfrau vorgestellt, die für eine Foundation-Linie werben sollte, welche sich werbewirksam der Vielfalt von Frauen und Hautfarben verschrieben hat – und somit das Bewusstsein dafür schärfen will, dass das Hautton-Farbspektrum über „Light“, „Medium“ und „Beige“ hinausreicht.

Die 30-jährige Munroe Bergdorf hatte also keinen geringeren Auftrag, als L‘Oréal als weltoffenes Unternehmen mit politischem Bewusstsein zu präsentieren. Auf diversen Lifestyle-Websites war gar davon die Rede, dass L‘Oréal „Geschichte schreibe“. Doch nur vier Tage nach Verkündung der frohen Botschaft endete die Zusammenarbeit bereits wieder – wegen eines Facebook-Posts von Bergdorf.

Darin schrieb das britische Model, das sich bereits in ihrem Instagram-Profil als Aktivistin bezeichnet: „Ich habe ehrlich gesagt keine Energie mehr, über die rassistisch motivierte Gewalt weißer Menschen zu sprechen. JA, aller weißen Menschen.“ Weiter hieß es in dem Post, der mittlerweile gelöscht ist: „Die meisten von euch allen anerkennen nicht einmal, dass eure ganze Existenz, eure Privilegien und euer Erfolg als Rasse auf den Rücken, dem Blut und dem Tod von Schwarzen Menschen gründet. Eure ganze Existenz ist von Rassismus durchdrungen.“

Krasse Worte für ein Make-up-Testimonial. Es waren mehrere Talkshow-Auftritte Bergdorfs nötig, bis deutlich wurde, dass der Post nicht als persönlicher Angriff auf sämtliche weißen Menschen überhaupt gemeint gewesen sei – sondern dass es um soziologische Kategorisierungen, um Machtstrukturen und tradierte Ungerechtigkeiten gehe. Weiße Menschen könnten die Problematik gar nicht verstehen, weil sie Rassismus nun mal nicht betreffe.

https://www.instagram.com/p/BYqSYj2nNuh/?taken-by=munroebergdorf

Ob Bergdorf ihre Message nun wahnsinnig elegant überbracht hat und ob man sich als Generalsuperaktivistin (sie ist auch in der LGBT+-Szene engagiert) nicht mit etwas weniger brachialen Äußerungen etablieren kann, das sei einmal dahingestellt. Dass L‘Oréal den Werbevertrag mit Bergdorf aber sofort auflöste, als der Schimpfpost viral ging, war schon reichlich ungeschickt. Zumal ein Blick auf Bergdorfs Instagram-Kanal wirklich genügt, um zu erkennen, dass diese Frau vor drastischen Statements nicht zurückschreckt – da geht es in 90 Prozent der Posts um blackness und queerness.

Das hätte L‘Oréal wissen können, wissen müssen. Man kann sich als Firma doch nicht mit dem Engagement einer schwarzen Transfrau schmücken, um sie dann sofort zu schassen, wenn eben dieses Engagement ein wenig zu leidenschaftliche Ausmaße annimmt. Herrje, ein Facebook-Post ist so schnell geschrieben wie wieder gelöscht! Ein Riesenkonzern wie L‘Oréal hätte Bergdorf schlicht bitten können, den Post zu löschen oder weniger scharf zu formulieren – und der Shitstorm wäre überschaubar geblieben. Die sofortige Kündigung? Keine souveräne Entscheidung.

Denn nun hat die ganze gut gemeinte Make-up-Diversity-Pipapo-Kampagne ein hypokritisches Geschmäckle weg. „Your Skin, Your Story“ lautet der Werbeclaim, die Produktlinie heißt „True Match“. Auch in Deutschland werben Prominente wie Lena Meyer-Landrut dafür, dass sie mit dieser Foundation endlich, endlich ihren wahren, echten Farbton gefunden hätten. Gelebte Rassismuserfahrungen aber lassen sich nun mal so einfach nicht wegschminken – auch nicht, wenn es nun Schminke im Farbton „Espresso“ zu kaufen gibt.