Und deshalb schaffen wir kein einziges Bikini-Body-Programm

Kayla Itsines, die australische Fitnesstrainerin, die angeblich schon Tausenden von Frauen zur Bikinifigur verholfen hat, bezahle ich wieder seit drei Monaten quasi umsonst dafür, dass sie mir einmal pro Woche drei neue Trainingszirkel auf’s Handy schickt. 20 Euro kostet die App „Sweat with Kayla“ im Monat. Das heißt, dass ich 60 Euro dafür ausgegeben habe, ungefähr fünf Mal Burpees zu machen. Falls jemand nicht weiß, was das ist: Dabei handelt es sich um eine vollkommen unnatürliche Bewegungsabfolge. Erst liegt man auf dem Boden, dann soll man plötzlich in die Luft springen und dabei noch die Arme mitreißen.

Ich habe natürlich keinen einzigen Burpee richtig hinbekommen, sondern nur halbherzige Hopser. Das wäre ja an sich nicht so schlimm. Was mich ärgert: Kaylas gescheitertes Bikini-Body-Vorhaben ist nicht das erste große Sportvorhaben, an dem ich über kurz oder lang scheitere. Meist eher über kurz. Meine Mitgliedschaft im Fitnessstudio habe ich zum Glück dieses Jahr endlich gekündigt, die Schwitz-App von Kayla ist mitterweile ebenfalls ababonniert. Bevor weitere Fitness-Unternehmungen gestartet werden, muss ich erst mal Ursachenforschung betreiben. Da scheint es ja ein psychologisches Problem zu geben, anders kann ich mir nicht erklären, warum das mit mir und dem Sport auf lange Sicht nicht klappt.

Zum Glück bin ich sehr gut darin, mein eigener Psychologe zu sein. Ein Kindheitstrauma ist schuld an meinen Sportproblemen. Das fand ich in langen, ehrlichen, reflektierten Gesprächen mit mir selbst heraus. War ja klar!

Meine Erinnerungen an den Sportunterricht in der Schule sind schrecklich. Und zwar nicht auf die lustige „Feuerzangenbowle“-Art. Es kam regelmäßig zu Auseinandersetzungen mit den Sportlehrerinnen: „Julia, im 100-Meter-Lauf bekommst Du laut Tabelle eine Sechs plus.“ – „Wusste ich eh schon, Sie geben mir doch in allem eine Sechs, ich mache jetzt überhaupt nicht mehr mit!“ Beim Turnen ließ ich mir wirklich immer gleich die Sechs eintragen, bevor ich mich beim Versuch, ein Rad zu schlagen, lächerlich machte. Von einer verhinderten Ballerina im türkisen Frotteeanzug mit Notenbuch in der Hand ließ ich mir nicht die Würde nehmen!

Ja, ich war schlecht in Sport. Der schlimmste Tag im Jahr waren für mich die Bundesjugendspiele. Beim Dauerlauf täuschte ich eine Ohnmacht vor, als ich keinen Bock mehr hatte. In der Oberstufe wurde ich endlich vom Sportunterricht befreit. Was für eine Erleichterung!

Und obwohl ich nun schon so lange nicht mehr zittern musste, ob die Scheißsportnote mein Zeugnis ruinieren würde, hängt mir ein Gedanke eben immer noch nach: Ich bin unsportlich. Das haben die tollen Sportlehrer geschafft, diese Überzeugung ganz fest in mir drin zu verankern. In meinem Kopf ist die Menschheit unterteilt in diejenigen, die lachend am Strand entlangjoggen und morgens um sechs Uhr Yoga machen – und diejenigen, die eine U-Bahn-Stationen früher aussteigen, weil sie den etwas weiteren Weg bis zur Haustür als Workout ins Handy eintragen wollen. Es gibt also Leute, die machen, und Leute, die sich selbst betrügen. Als Teenager vergisst man aus Versehen den Turnbeutel, als Erwachsener stellt man sich nicht mehr auf die Waage und macht sich fortwährend über die eigene Unsportlichkeit lustig.

Und daran ist nur der Schulsport schuld. Mit seinen kuriosen, verkrachten Lehrerexistenzen, die wegen Rückenproblemen nicht mal Hilfestellung leisten können, dafür verlangen, dass man per Salto vom Schwebebalken runterspringt.

Ich bin ja bei weitem nicht die Einzige, der ein Schulsport-Trauma anhaftet. Ganz viele meiner erwachsenen Freundinnen haben Schwierigkeiten, sportlichen Ehrgeiz zu entwickeln. Vielmehr seufzt man sich gegenseitig was davon vor, dass man mehr Sport machen müsse. Manche entwickeln aus Figurbewusstsein sehr viel Selbstdisziplin und gehen dann joggen. Aber richtigen Spaß am Sport haben wenige.

Kein Wunder: Fitnessstudios sind wie die albtraumhafte Erwachsenenversion der Schulturnstunde. Niemand zeigt einem, wie irgendwas funktioniert, bewertet wird man aber andauernd – von Kalorienzählern und anderen Fitnessstudiogängern, die sich freuen, dass sich da jemand abquält, der noch unsportlicher ist als sie selbst.

Was kann man tun, um das Schulsporttrauma loszuwerden? Nein, ich werde jetzt nicht davon faseln, dass man nur einen Sport finden muss, der einem superviel Spaß bereitet, so wie das Fitnessmagazine tun. Meist soll das dann so etwas wie Underwater-Kettlebell-Ballett sein, dass in nur einem einzigen Studio in New York angeboten wird.

Nein, ich bin dafür, im großen Stil Aktionen gegen die Schikane von jungen Frauen im Schulsport einzutreten. Mit Onlinepetition, Instagram-Account und allem Pipapo, die Facebook-Gruppe wird heißen „Frau B. ist schuld daran, dass ich keine Burpees kann“. Wir müssen künftige Generationen schützen! Es soll niemand mehr gezwungen werden, über einen Kasten zu springen, wenn man Angst davor hat! Oder am Reck Choreografien zu turnen, die sich im Jahr 1897 irgendein Studienrat ausgedacht hat! Macht mit und sorgt dafür, dass der Schulsport endlich menschlich wird!!!

Ich schlage den Oberschulämtern außerdem vor, im Unterricht die Videos von Fitnessguru Julia zu verwenden: