Viele Hochzeitspaare haben nur einen Geschenkewunsch: Geld! Üblich ist eine Gabe von 100 Euro pro Person – weil das in etwa die durchschnittlichen Verpflegungskosten pro Gast deckt. Ziemlich unverfroren eigentlich.

Dieser Artikel ist zuerst am 14. Juli 2017 auf iconist.de erschienen.

Je älter man wird, desto häufiger flattern Hochzeitseinladungen ins Haus. Selbstgebastelt, auf Büttenpapier, aus dem Copyshop. Eigentlich ein Grund zur Freude: Zwei Freunde wollen ihr Leben miteinander verbringen. Doch wer schon einige Hochzeiten erlebt hat, weiß auch: Irgendwo ist in der Einladung ein mal mehr oder weniger dezenter Hinweis auf ein erwartetes Geldgeschenk versteckt. Mal steht da: „Wir haben schon alles. Daher würden wir uns über einen Zuschuss für die Flitterwochen freuen!“ Mal muss man nachfragen: „Gibt es etwas, das Du Dir zur Hochzeit wünschst?“ Antwort: „Ja, Geld natürlich!“

Wieso eigentlich „natürlich“? Wieso verlangen angehende Eheleute selbstverständlich Geldgeschenke von ihren Freunden und Bekannten? Wenn Tante Clothilde statt rosa Gästehandtüchern lieber ein Scheinchen im Umschlag überreicht, weil sie weiß, dass die alles andere ohnehin bei Ebay landen, dann ist das ja in Ordnung. Überhaupt, wenn Verwandte eine Hochzeit, die ja am Ende meist teurer wird als geplant, finanziell etwas unterstützen, dann ist dagegen nichts einzuwenden.

Doch auch unter jungen Leuten, Bekannten, Freunden und Arbeitskollegen, gilt es als zwar teuer und leidig, aber durchaus üblich, dass man den Eheleuten 100 Euro zu überreichen hat – weil diese Summe in etwa den Ausgaben entspricht, die das Brautpaar pro Gast durchschnittlich am großen Tag aufbringt. Zumindest in einem bayerischen Landgasthof, der sich auf Hochzeitsabfertigungen spezialisiert hat und wo die Verpflegung pro Person in etwa 100 Euro kostet (inklusive Wein und Sekt, exklusive Schnaps).

Es handelt sich hierbei um eine Art heimliches Gesetz der sozialen Gepflogenheiten, von dem man aber erst erfährt, wenn man das erste Mal auf eine Hochzeit eingeladen wird und die mühsam recherchierten Geschenkevorschläge im Freundeskreis abgebügelt werden: „Ich würde nichts riskieren, von wegen Vasen und so, nachher gefällt denen das nicht. Also wir basteln einen Bauernhof aus Pappe, in dem den ganz viele Fünf-Euro-Scheine versteckt sind, so ganz klein gefaltet, weißt Du. Voll witzig!“ Wieso Bauernhof, wieso Basteln, und wieso klein gefaltetes Geld?! Es geht doch hier um eine Hochzeit, keine Erstkommunion mit lauter Neunjährigen.

Man wundert sich, wer die Regel mit den 100 Euro erfunden und verbreitet hat: Diese Sitte hat nämlich noch nicht einmal was mit Knigge-Regeln zu tun, wie eine kurze Google-Recherche ergibt. Der Wert des Hochzeitsgeschenks sollte sich nach dem Vertrauensgrad zwischen Gästen und Hochzeitsleuten richten sowie, jawohl, nach den finanziellen Möglichkeiten des Schenkenden. Unter Bekannten reichen 30 bis 50 Euro vollkommen aus.

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Natürlich geht es bei der Frage nach dem Wert des Hochzeitsgeschenks nicht nur ums Finanzielle. Man will ja gerne schenken, man freut sich ja, eingeladen zu sein. Mit Geiz hat die Problematik wenig zu tun. Es geht hier vielmehr um ein grundsätzliches Missverständnis bei der Organisation von Hochzeiten. Heutzutage muss sich kaum noch jemand gesellschaftlich verpflichtet fühlen, eine Riesenfeier zu schmeißen. Das ist eine sehr persönliche Entscheidung, ob man eine Linda de Mol-Traumhochzeit organisieren will.

Der eine macht eine Weltreise im Sabbatical, der andere heiratet. Beides dient der Verwirklichung von lang gehegten Träumen. Und deshalb muss man sich in beiden Fällen fragen: Kann ich mir das überhaupt leisten – oder müsste ich für Tüllkleid, Braten mit Sauce und ein Kaffee-Kuchen-Buffet eigentlich eine Crowd-Funding-Kampagne starten? Es kann wohl nicht Sache der Gäste sein, dass sie diesen Traum finanzieren. Die Selbstverständlichkeit, mit der Brautpaare auf einen Kostenausgleich spekulieren, die nervt.

Klar, man könnte jetzt einwenden: Wenn sich die Freundin zur Hochzeit nun mal nur genau das wünscht, nämlich eine Hochzeit, dann soll es so sein, dann muss man das akzeptieren. Was soll sie dann mit einer Vase, egal, wie schön die sein mag. Sonderlich stilvoll ist das Überreichen von Bargeld trotzdem nicht. Ist es wirklich eine schöne Vorstellung, nach dem großen Tag zu Hause im Wohnzimmer die Scheine zu sammeln und dann zur Bank zu bringen? Überhaupt: 30 Euro in einem Briefumschlag wirken schon sehr popelig, da sollte man sich dann lieber an ein echtes Geschenk trauen. Oder mit Freunden zusammenlegen. Für einen Beauty-Gutschein zum Beispiel. Kürzlich erzählte eine Bekannte, dass ihre beste Freundin sich an der Anschaffung der Designer-Hochzeitsschuhe beteiligt hat. Das ist doch auch eine gute Lösung.

Nur der Scheinchenregen im Landgasthof, das ist wirklich eine Unsitte, der man sich wirklich nicht unterwerfen muss. Und keine Angst: Falls man bereits Hunderte von Euro für diverse Hochzeiten gespendet hat, selbst aber keinerlei Pläne für eine eigene Eheschließungsfestivität hegt, man also niemals die 100 Euro zurückbekommt, dann kann man es immer noch so machen wie Carrie Bradshaw. Die forderte in einer herrlichen „Sex and the City“-Folge von einer Freundin eine Art Ausgleichszahlung für ihrerseits bereits geleistete Hochzeits-, Geburts-und Taufgeschenke. Und zwar mit der denkwürdigen Anrufbeantworter-Nachricht: „Hallo, hier spricht Carrie Bradshaw. Ich wollte Dir nur Bescheid geben, dass ich heiraten werde. Und zwar mich selbst. Meine Geschenkeliste ist bei Manolo Blahnik hinterlegt. Also, danke. Tschüss.“

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