Werden Euch auch häufig Bemerkungen an den Kopf geknallt, die sich nett anhören, aber eigentlich ziemlich gemein sind? Und die Euch ganz perplex machen? Ich habe die unmöglichsten Beispiele gesammelt. Artikel erschienen am 25.11.2016 auf welt.de.

Ganz kann man es trotz Internet nicht umgehen, sich im Alltag mit seinen Mitmenschen auseinanderzusetzen. So einsilbig und zugänglich man sich auch geben mag – es gibt immer jemanden, der einen mit eigenartigen Bemerkungen völlig Konzept bringt. Mit Bemerkungen zum Aussehen, zur Arbeit, zur Persönlichkeit an sich, die sich im ersten Moment eigentlich ganz nett anhören – aber dann eine unverschämte Wende nehmen. Überspitzt gesagt: Die Rede ist von Bemerkungen wie – „Du sprichst aber schon gut Deutsch!“, geäußert gegenüber allen Menschen, die ein klitzekleines Bisschen so aussehen, als stammten nicht auch schon ihre Urururgroßeltern aus Hintertutzingen.

Man fragt sich natürlich, was die Menschen zu derlei Kommentaren inspiriert. Ist das Gegenüber wirklich so unbedarft, dass er oder sie die versteckte Beleidung in seinen Worten nicht bemerkt? Oder handelt es sich um eine fein abgestimmte rhetorische Taktik, bei der falsche Freundlichkeit die passiv-aggressive Grundstimmung des Sprechenden übertünchen soll?! Letztlich ist natürlich beides gleich gemein und spricht nicht gerade für eine ausgeglichene Persönlichkeitsstruktur. Dennoch ist es sehr schwer zu unterscheiden, welche Beweggründe hinter Nicht-Komplimenten stecken. Und deshalb ist es auch beinahe unmöglich, adäquat auf Fiesigkeiten zu reagieren: Entweder, man reagiert völlig über und gilt anschließend allenthalben als leicht zu beleidigende Leberwurst. Oder aber, man bleibt stumm und ärgert sich anschließend tagelang über mangelnde Schlagfertigkeit.

Nun die schlechte Nachricht: Dieser Artikel liefert Ihnen keine vorgefertigten Antworten, die Sie sich ausdrucken und in unangenehmen Situationen aus der Manteltasche ziehen können. Vielmehr soll dieser Artikel Anlass dazu sein, leidvolle Erfahrungen zu teilen und den Schmerz dadurch zu lindern – die folgende Sammlung von Aussprüchen entstammen nämlich allesamt dem wirklichen Leben.

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I. „Super, wenn man groß ist! Aber Ihr seid ja riesig! Richtige Baumstämme!“

Geäußert gegenüber zwei jungen Menschen, 1,80m (Frau) und 1,95m (Mann) groß. Ja, es gibt Menschen, die größer als 1,65m sind. Aber muss man die überdurchschnittliche Körpergröße eines Mitmenschen immer kommentieren, als handle es sich dabei um eine wunderliche Laune der Natur? Nein!

II. „Wie toll, Du hast Dich endlich mal geschminkt! Sieht super aus, solltest Du immer machen!“

Natürliche Schönheit kommt anscheinend doch nicht bei jedem so gut an.

III. „Schöne Hose! Ist wohl Deine Lieblingshose? Die hast Du ja ständig an.“

Achtung, Achtung, hier spricht die Outfit-Polizei! Sie hatten diesen Monat mehrmals die gleiche Hose an! Bitte ändern Sie das sofort, ansonsten müssen wir eine Mahngebühr wegen unzulässiger Hosenmehrfachverwendung erlassen!

IV. „Du siehst genau aus wie Helene Hegemann! Also, so vom Typ her, Du bist natürlich hübscher!“

Vergleichen Sie niemals, wirklich niemals, jemandes Aussehen mit dem einer anderen, wenn auch berühmten Person. Und schon gar nicht mit dem Helene Hegemanns.

V. „Naja, mit Deinem Mann läuft’s vielleicht nicht so toll, aber Du kannst Dich wenigstens an den Erfolgen Deiner Kinder hochziehen.“

„…wenn Du schon selbst nichts aus Deinem Leben gemacht hast“, schwingt da noch unausgesprochen mit. Hausfrauen-Shaming ist das neue Slut-Shaming.

VI. „Schönes Haus und toller Garten! Habt Ihr Euch schon überlegt, wann Ihr verkauft? Ihr seid ja auch nicht mehr die Jüngsten.“

In Anbetracht des demografischen Wandels darf man mit Anfang 60 wohl noch in den eigenen vier Wänden wohnen bleiben; ein kleines Kämmerchen im Altersheim kann man sich ohnehin erst ab 90 aufwärts und im absoluten Notfall leisten, bei Demenz oder so, mehr gibt die Rente gar nicht her.

VII. „Du schreibst so schön einfach. Deine Artikel versteht man immer sofort.“

Im Prinzip ist es ja gut, wenn die Leser die Botschaft eines Artikels verstehen. Aber Journalisten sind eitel – und dieses „Kompliment“ hört sich an, als verfüge man lediglich über Formulierskills auf dem Niveau „einfache Sprache“, also etwa „Simple English“ bei Wikipedia!

VIII. „Ich hab Dir mal eine Stellenanzeige ausgeschnitten. Kannst ja wenigstens mal Deinen Marktwert schätzen lassen!“

Menschen auf Jobsuche freuen sich immer über hilfreiche, konstruktive Anregungen.

IX. „Du könntest wirklich Fernsehmoderatorin werden mit Deiner klaren Stimme. Nur am Gewicht müsstest Du eben arbeiten.“

Vielleicht kannten Sie diese im Rundfunkstaatsvertrag festgelegte Regel noch gar nicht: Frauen, die im deutschen Fernsehen vor der Kamera stehen, dürfen auf gar keinen Fall mehr als 60 Kilogramm wiegen.

X. „Krass, wie viel Du abgenommen hast! Warst Du eigentlich schon mal schlank oder schon immer – äh – kräftig? Sogar Dein Busen hat jetzt eine normale Größe!“

Wenn Büroküchentalk zum Fall für den Betriebsrat wird. Eigentlich. Denn natürlich lächelt man nur verlegen und erwidert – „Ach, so viel ist es doch gar nicht“.