Berühmte Bloggerinnen inszenieren Outfit-Posts gern mal im Supermarkt oder zu Hause in der Waschküche. Soll das Kunst sein – oder haben die jede Bodenhaftung verloren?

Beim allabendlichen Instagram-Suchten kam mir ein Bild vom schwedischen Label Filippa K unter. Die  Bloggerin Maja Wyh saß auf einer Waschmaschine und trug feine Abendhosen. Unter das Bild hatte das Social-Media-Team des Labels geschrieben: „Not everyone would look as gorgeous as majawyh in a setting like this one“.

https://www.instagram.com/p/BNUUNRshjRh/?taken-by=filippa_k&hl=de

Ja, natürlich nicht! Aber das wäre ja wohl die Höhe, wenn man sich jetzt auch noch beim Putzen, Aufräumen, Wäsche waschen insta-shamen ließe. Und ich muss zugeben: Weder meine Waschmaschine noch ich sehen am laundry day so gepflegt aus.

Überhaupt ist mir aufgefallen, dass es unter künstlerisch ambitionierten Bloggerinnen, also solchen, die weiße Rahmen um ihre Instagram-Bilder basteln, mit einer App Pinselstriche auf ihre Fotos setzen und hin und wieder Kunstwerke posten, ziemlich in ist, sich in ganz alltäglichen Normalo-Situationen fotografieren zu lassen. Die von mir wirklich sehr geschätzte Camille Charrière ließ sich zum Beispiel kürzlich vor einem Kühlregal ablichten, im Lacklederrock von Mango.

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Was hat es nur mit den Bloggerinnen und den Hausfrauen-Inszenierungen auf sich? Klar, die Mode flirtet seit jeher immer wieder einmal mit dem Reiz des Alltäglichen; man denke nur mal an Karl Lagerfelds Chanel-Supermarkt-Show aus dem Jahr 2014. Das ist eben ein bisschen so, als würde man das langweiligste Argument sämtlicher Fashion-Gegner, nämlich: wer soll das denn im Alltag anziehen??, ein für alle Mal aushebeln wollen – indem man sagt, schaut mal, Ihr Dödel, echte Stilprofis gehen auch im 10.000-Dollar-Look zum Lidl!

Aber was ist eigentlich die Botschaft, wenn „Fashionistas“ in den neuesten Designerklamotten vorm Butterregal oder auf der Waschmaschine posieren, Hashtag #ad? Soll das den Follower zeigen. „Hey kuckt mal, ich bin voll normal geblieben, obwohl ich einen Beruf daraus gemacht habe, Klamotten anzuziehen, was schon ziemlich genial ist, außerdem muss ich eigentlich gar nicht einkaufen gehen, weil ich eh fast nichts esse, um meine Figur zu halten – und meine teuren Klamotten wasche ich doch nicht selbst, die holt selbstverständlich ein Reinigungsservice ab, wenn ich sie denn überhaupt mehr als einmal trage, bevor ich sie bei Tictail verkaufe.“

Aus ästhetischer Perspektive kann ich die Supermarkt- und Waschküchenfotos ja noch rechtfertigen. Ja mei, die Damen können ihr #ootds ja nicht andauernd vor alten Haustüren fotografieren! Die Message, die zumindest bei mir beim Anblick der Fotos ankommt, ist aber leicht irre. Und zwar auf die gleiche Art, wie wenn Schauspieler erzählen, dass sie eigentlich so wahnsinnig schüchtern seien oder wenn Models berichten, dass sie früher wegen ihrer Größe gehänselt worden wären und ihnen das Modeln zu mehr Selbstbewusstsein verholfen hätte. Es muss sich echt nicht jeder Prominente ein Leidensnarrativ zurechtbasteln. Und Menschen, die ihr Geld damit verdienen, andere Menschen bei Kaufentscheidungen zu „influencen“, die müssen nicht mit Bodenständigkeit kokettieren. Denn wenn man etwas so Normales wie den Supermarktgang zur Kunstform macht, dann hat man das #reallife doch längst hinter sich gelassen. Oder?

Da ich nicht immer nur alles verurteilen will, habe ich im Selbstversuch den Appeal von Kühlthekenbildern getestet – Ergebnis siehe oben. Wenigstens schön bunt! Doch als ich neulich mal wieder beim Kaiser’s ewige Zeiten in der Schlange stand, weil es sich die Supermarktkette nicht mehr leisten kann, selbst zur Rush Hour mehr als zwei Kassen gleichzeitig zu öffnen, dachte ich: Wissen Maya, Camille & Co. eigentlich, wie nervenaufreibend es ist, nach einem anstrengenden Arbeitstag in einem schweißigen Großraumbüro noch zum Supermarkt zu müssen, weil man nicht einmal mehr ein abgepacktes Schwarzbrot und Klopapier zu Hause hat, und dann festzustellen, dass alle Avocados bereits ausverkauft sind?! Das ist einfach nur schrecklich, und damit macht man keine Witze!!!

Habt Ihr Euch schon mal im Supermarkt fotografieren lassen? Falls ja, lasst mich gern wissen, wann, wie und warum!