Nur peinliche Fantasy-Fans mit aufgemaltem Blitz auf der Stirn geben zu, dass sie Harry Potter toll finden – und das auch nur in komischen Internetforen. Oder etwa nicht? Warum Harry Potter meine hart erarbeitete Coolness seit Jahren auf die Probe stellt.
Wenn ich einen Kinofilm in der Woche sehe, in der er anläuft, muss er mir schon sehr wichtig sein; ich habe einen Hang zur Klaustrophobie, hasse volle Kinos und fürchte den Moment, wenn der Kartenverkäufer sagt – „Hier in der Mitte ist noch was frei“, erfahrungsgemäß wollen meine Kinobegleiter nämlich genau die Plätze. Als nun „Fantastic Beasts“ rauskam, gab ich einen Haufen Geld für das 3D-Dolby-irgendwas-Popcorn-Spektakel aus und setzte mich in einen nicht sonderlich bequemen Berliner Kinositz. Für einen kurzen Moment zauderte ich: Harry Potter! Das ist doch was für Nerds! Hoffentlich treffe ich niemandem im Foyer! Dann sage ich, ich hätte den neue Woody Allen gesehen!
Zu meiner Überraschung befanden sich im Kino viele Menschen Mitte 20, die eigentlich ziemlich normal aussahen, jedenfalls nicht nach diesen Hardcore-Fantasy-Fans, die sich mit Kajastift eine Blitznarbe auf die Stirn malen und mit Plastikzauberstäben herumwedeln. Ich vermute mal, dass es meinen Mitkinogängern ähnlich geht wie mir mit Harrys Zaubererwelt: Mit Harry sind wir aufgewachsen, man fieberte als Kind unfassbar auf die Veröffentlichung eines neuen Bandes hin und las bis dahin die bereits erschienenen in Dauerschleife, dann kamen die Filme raus und die Hauptdarsteller waren auch noch ungefähr im gleichen Alter wie man selbst. Meinen elften Geburtstag feierte ich im November statt im Juni, weil da der erste Film rauskam; mit sämtlichen Freundinnen ging es Kino, anschließend zu Hause entstand eine große Aufregung, weil wir statt der Soundtrack-CD aus Versehen eine Zusatz-CD-Rom mit Informationen über den Film in meine Anlage einlegten und nur lautes Dröhnen aus den Lautsprechern kam.
Nur wenige Monate später kippte mein Verhältnis zu Harry Potter, prä-pubertätsbedingt. Mir war meine Harry-Potter-Tasche, in der ich meine Klaviernoten trug, peinlich, und ich drehte die Seite mit Blitz-Motiv immer nach innen zur Oberschenkelseite. Einmal vergaß ich das, stand an der Ampel, ein Junge und ein Mädchen, wenig älter als ich, amüsierten sich lautstark über meine Harry-Potter-Tasche. Solche Momente prägen: Mir wurde langsam bewusst, dass Fantasy-Fans im Allgemeinen nicht unbedingt mit ausgesprochener Coolness in Verbindung gebracht werden. Dass man sich öffentlich besser für „Bravo Girl“ und Partys interessiert statt für Fantasy-Schinken. Jaja, es geht im Leben nicht darum, wer einen für cool befindet und wer nicht, überhaupt, was bedeutet eigentlich „cool“? Aber so ist das eben als Teenager; alles, worüber sich andere lustig machen könnten, wird mit aller Kraft vermieden. Und in diesem Punkt reicht die Pubertät weit über das 17.,18. Lebensjahr hinaus; manch einer soll sich sogar noch mit 49 Jahren über seinen Coolness-Faktor sehr ernsthafte Gedanken machen.
Jedenfalls frönte ich meiner Liebe zu Harry, Ron und Hermine und ihren Abenteuern bald nur noch im Geheimen. Ich ließ mir die neuen Bände von meinen Eltern auf Englisch schenken, weil ich nur durch das Englisch-Üben den Harry-Konsum vor mir selbst und meinem Selbstverständnis rechtfertigen konnte. In der zehnten Klasse musste ich ein Praktikum in der Buchhandlung machen, zum Abschluss durfte ich mir ein Buch aussuchen. Harry Potter 5 war da gerade erschienen; nichts wollte ich lieber lesen. Es war mir aber zu peinlich, danach zu fragen, und entschied mich für irgendeinen komischen Roman von Henning Mankell, damit die Erwachsenen dachten, „die ist aber interessiert für ihr Alter!“ Die späteren Verfilmungen habe ich nur noch Jahre, nachdem sie im Kino gelaufen waren, heimlich mit Kopfhörern im WG-Zimmer angeschaut.
Bis 2016 erst die Fortsetzung (!) von Harry Potter als Theaterskript und die Vorgeschichte (!) als Blockbuster herausgebracht wurden. „Harry Potter and the Cursed Child“ kaufte ich mir noch mit rotem Kopf in der Bahnhofsbuchhandlung, es war mir unangenehm, dass der Verkäufer sehr laut mehrfach nachfragte, ob ich auch wirklich die englische Version kaufen wolle. Bei „Fantastic Beasts“ hingegen war mir schon alles egal, ich schlug meinen Freunden den Kinobesuch selbst vor – auch, wenn ich ein paar ironische Witze darüber machte.
Beides, Buch und Film, fand ich fantastisch – weil es wahnsinnigen Spaß bereitet, in diese so vertraute Fantasiewelt noch einmal einzutauchen. Vor allem im Film: Die Tricks sind natürlich besser als im Jahr 2001 und der ganze Film ist mit charmanten Kleinigkeiten wie von selbst bügelnden Bügeleisen und fliegenden Tellern angefüllt.
Klar könnte man J.K.Rowling vorwerfen, dass sie nicht loslassen kann, dass ihre immer neuen Enthüllungen über die Charakter aus den Romanen nerven, dass die Prequel-Sequel-Wut letztlich nur der Geldmacherei dient. Ich kann mir aber schon vorstellen, warum sie immer und immer wieder zurück zu ihren Zauberern will: Sich so viele Details, so viele Mini-Erzählstränge, so viele Charaktere und Lebensläufe auszudenken, erfordert ganz schön viel geistige Arbeit. Ein Aufwand, der mit popeligen sieben Harry-Potter-Bänden eben noch lange nicht gedeckt ist. Jedenfalls hoffe ich, dass es noch viel, viel mehr Merchandising und Fortsetzungen und überhaupt geben wird in Zukunft. Denn ich bin ein Harry-Potter-Nerd. Und das ist gut so.
Was denkt Ihr über Harry Potter? Und nennt Ihr Emma Watson auch immer noch aus Versehen Hermine Granger? Lasst es mich wissen – in den Kommentaren!
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